„Kirchen als Vierte Orte. Perspektiven des Wandels“ heißt die Ausstellung, die Sie für das Museum der Baukultur NRW kuratiert haben, und die Besucher*innen von 9. November bis 13. Dezember 2025 in der Berger Kirche in Düsseldorf sehen können. Es geht um die Umnutzung leerstehender oder vom Abriss bedrohter Kirchen. Der Begriff der „Vierten Orte“ fällt dabei auf – inwiefern ist die Berger Kirche ein solcher Ort?
Kirchen schaffen mit ihrer besonderen Atmosphäre weit mehr als nur Treffpunkte – sie sind mehr als die sogenannten „Dritte Orte“. Sie bilden ein dichtes Geflecht gemeinschaftlicher Erfahrungen und Bedeutungen im Stadtraum und wirken als städtebauliche Fixpunkte mit enormer Identifikationskraft – auch für Menschen ohne religiösen Bezug. Ihre Innenräume laden dazu ein, aus der Hektik des Alltages auszubrechen und zur Ruhe zu kommen. Als „Vierte Orte“ eröffnen sie damit gemeinschaftliche, kontemplative und kulturelle Räume und besitzen ein besonderes baukulturelles und gesellschaftliches Potenzial.
Gerade heute, wo Orte für sozialen Austausch und gesellschaftliche Identifikation immer wichtiger werden, bieten Kirchen ein außergewöhnliches Potenzial. Selbst wenn ihre religiöse Funktion endet, bleiben ihre Bedeutungsebenen bestehen – wie die Ausstellung mit zahlreichen neuen Nutzungskonzepte zeigt.
Die Berger Kirche ist ein wichtiges Baudenkmal mit Geschichte bis ins 17. Jahrhundert. Aktuell wird sie nicht mehr regelmäßig für Gottesdienst genutzt, aber kulturelle Veranstaltungen finden weiterhin statt. Auf dem Außengelände hat das Psychosoziale Zentrum Düsseldorf 2011 einen Trauerort für Flüchtlinge und Zuwanderer*innen errichtet, die keinen Zugang zu den Gräbern ihrer Angehörigen haben. Jeden Dienstag gibt es zudem eine Pop-Up-Seelsorge. Die Kirche bleibt also ein Ort, der Begegnung und soziales Miteinander verbindet.

Uns war wichtig, neben konkreten Beispielen für neue Nutzungskonzepte auch Menschen zu Wort kommen lassen, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit diesem Thema beschäftigen. Dazu gehören Gemeindemitglieder, Architekt*innen, Denkmalschützer*innen, Vertreter*innen aus Politik und Stadtverwaltung sowie Personen, die Kirche in Eigenregie umgenutzt haben. Insgesamt haben wir mit rund 20 Personen gesprochen, um zu erfahren, warum Kirchen so besonders sind, welche Erfahrung sie mit Umnutzung gemacht haben und welche Chancen neue Konzepte bieten.
Die Ausstellung überführt diese Stimmenvielfalt in eine räumliche Erfahrung: Besucher*innen begegnen den Protagonist*innen unmittelbar im Kirchenraum. Denn Transformationsprozesse von Kirchengebäuden sind immer komplex, emotional und von der Mitwirkung vieler Akteursgruppen geprägt. Ob eine neue Nutzung gelingt, hängt entscheidend davon ab, wie gut es gelingt, unterschiedliche Perspektiven zu einer gemeinsamen Vision zu vereinen.
Sie haben „Kirchen als Vierte Orte“ als Wanderausstellung konzipiert. Warum ist es Ihnen wichtig, dass sie durch NRW tourt?
Die Ausstellung möchte vor Ort Diskussionen darüber anstoßen, wie lokale Kirchen künftig genutzt werden können. Ziel ist es, die Türen dieser Räume wieder zu öffnen und Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Gerade in solchen Experimentierphasen entstehen oft kreative Ideen und tragfähige Konzepte.
In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 6000 Kirchen – und mindestens die Hälfte wird langfristig nicht mehr (rein) religiös genutzt. Mit der Ausstellung wollen wir dazu beitragen, dieses bedeutende kulturelle und gesellschaftliche Erbe zu bewahren und es durch neue, gemeinwohlorientierte Nutzungen in die Zukunft zu führen. Baukultur NRW versteht sich dabei als Plattform, die Ideen und Akteur*innen zusammenbringt und den Austausch über Perspektiven des Wandels fördert.
Die Ausstellungseröffnung findet am Sonntag, 9. November, um 18 Uhr statt. Am Dienstag, 11.11.2025, folgt um 18 Uhr die Begleitveranstaltung „Kirchentransformation – Architekturaufgabe und Stadtentwicklungsmoment“ in Kooperation mit der Architektenkammer NRW. Zwei öffentliche Führungen mit Kurator Felix Hemmers ergänzen das Programm: am Samstag, 15. November, und am Samstag, 13. Dezember, jeweils um 12 Uhr. Mehr Informationen zur Ausstellung gibt es auf der Ausstellungsseite.

